Ich bin der Wächter. Ja, ich weiß, das klingt vielleicht ein bisschen dramatisch, aber das ist genau das, was ich bin.
Mein Job? Den Klienten in einem Zustand der ständigen Wachsamkeit zu halten. Ich sorge dafür, dass er jeden Morgen mit einer inneren Unruhe und einem Gefühl der Anspannung aufwacht. Warum? Weil ich glaube, dass dies ihn vor größeren Gefahren schützt.
Ihr fragt euch sicher, wie ich das anstelle und was ich dabei empfinde. Nun, lasst mich euch mitnehmen in meine Welt.
Was aber ist überhaupt die Ego-State-Therapie?
Die Ego-State-Therapie ist ein psychotherapeutischer Ansatz, der darauf abzielt, die verschiedenen inneren Anteile oder „Ego-States“ einer Person zu identifizieren, mit ihnen in Verbindung zu gehen und zu integrieren.
Diese Ego-States können verschiedene Aspekte der Persönlichkeit repräsentieren und haben oft ganz spezifische Rollen und Aufgaben. Ziel der Therapie ist es, die Kommunikation zwischen diesen Anteilen zu verbessern und ein harmonisches inneres Gleichgewicht zu fördern.
Die Therapie aus meiner Sicht
Wenn der Klient zur Therapie geht, ist das für mich eine äußerst nervenaufreibende Zeit.
Der Therapeut versucht immer wieder, mich zu beruhigen und zu verstehen. Aber ich bin nicht so leicht zu fassen. Ich verstecke mich hinter den Gedanken des Klienten, flüstere ihm ständig Sorgen und Bedenken ein. „Was, wenn etwas Schlimmes passiert? Was, wenn du die Kontrolle verlierst?“
Fragen wie diese sind meine Werkzeuge – und von denen habe ich eine Menge.
Meine Beziehung zum Klienten
Der Klient und ich haben eine komplizierte Beziehung.
Er sieht mich als Hindernis, als etwas, das ihn daran hindert, ein normales Leben zu führen. Ich aber sehe mich als seinen Beschützer. Meine Handlungen, so störend sie auch sein mögen, sind von einem tiefen Wunsch nach Sicherheit getrieben. Manchmal höre ich ihn in stillen Momenten flüstern: „Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“ Und ich würde ihm dann gerne antworten: „Weil ich Angst habe, dass du ohne mich verletzt wirst.“
In ruhigen Momenten frage ich mich: Was, wenn ich ihm tatsächlich schade? Was, wenn meine ständige Wachsamkeit ihn erschöpft und schwächt?
Aber dann erinnere ich mich an die vielen Male, in denen ich ihn vor vermeintlichen Gefahren bewahrt habe. Meine Überzeugung ist stark: Ohne mich wäre er definitiv verloren.
Der Therapeut und ich
Dieser Therapeut ist ein Rätsel für mich.
Er spricht in einer ruhigen, verständnisvollen Weise und versucht ernsthaft, mich davon zu überzeugen, dass ich dem Klienten möglicherweise gar nicht wirklich helfe. Er stellt Fragen, die mich ins Wanken bringen: „Was wäre, wenn der Klient ohne deine ständige Wachsamkeit sicher wäre?“
Diese Fragen lassen mich dann tatsächlich kurz zweifeln, aber meine Angst vor Veränderung hält mich fest.
Wie ich den Therapeuten sehe? Einerseits als Bedrohung, die versucht, meine Existenz zu untergraben. Andererseits spüre ich dennoch seine Aufrichtigkeit und sein Mitgefühl. Ich frage mich manchmal: „Kann ich ihm vertrauen? Was, wenn er Recht hat?“
Aber dann denke ich: „Was, wenn er sich irrt und der Klient ohne meine Schutzmechanismen wirklich in Gefahr gerät?“
Meine Sabotage der therapeutischen Beziehung
Um sicherzustellen, dass der Klient dem Therapeuten nicht zu sehr vertraut, flüstere ich ihm Zweifel ein: „Was, wenn der Therapeut dich nicht wirklich versteht? Was, wenn er dich in Gefahr bringt?“
Einmal, als der Klient eine besonders schwierige Sitzung hatte, überzeugte ich ihn, dass der Therapeut nicht hilfreich war und es besser wäre, die Therapie abzubrechen. „Er weiß nicht, was er tut. Du verschwendest nur deine Zeit.“
Diese Gedanken verankerten sich tief im Klienten, und er sagte tatsächlich einen Termin ab, was mir eine gewisse Erleichterung verschaffte.
Meine Beziehungen zu anderen Ego-States
Innerhalb des Klienten gibt es auch noch andere Ego-States, die ebenfalls ihre eigenen Rollen und Perspektiven haben. Da ist zum Beispiel der Kritiker, der ständig an den Entscheidungen des Klienten zweifelt, und der innere Helfer, der immer versucht, Frieden und Harmonie zu bringen.
Meine Beziehung zu ihnen ist kompliziert. Der Kritiker und ich arbeiten zwar oft zusammen, um den Klienten in einem Zustand der Vorsicht zu halten. Der innere Helfer hingegen versucht, uns zu beruhigen und uns zu zeigen, dass es auch andere Wege gibt.
Konflikte mit anderen Ego-States
Besonders schwierig ist meine Beziehung zu einem Ego-State, den ich den Optimisten nenne.
Der Optimist will unbedingt, dass dieses Gefühl der Unruhe und Anspannung am Morgen verschwindet. Er glaubt, dass der Klient nur dann wirklich glücklich und frei sein kann, wenn diese negativen Gefühle beseitigt sind.
Unsere Konflikte führen zu inneren Spannungen und Zerrissenheit. Der Optimist flüstert dem Klienten zu: „Du brauchst diese Unruhe nicht. Lass sie los und genieße dein Leben.“ Und ich, der Wächter, antworte sofort: „Nein, du musst wachsam sein. Ohne mich bist du in Gefahr.“
Unsere gegensätzlichen Ansichten führen zu einer inneren Anspannung, die den Klienten oft überwältigt.
Die Hypnosetherapie: Eine besondere Herausforderung
Dann gibt es diese Hypnotherapie-Sitzungen. Wenn der Klient in Trance geht, fühle ich mich besonders bedroht. Die Hypnose schafft einen Raum, in dem ich an Einfluss verliere. Der Therapeut spricht beruhigende Worte und nutzt passende Bilder, die den Klienten in eine tiefe Entspannung führen. Ich kämpfe dagegen an, flüstere dem Klienten ins Ohr: „Wach auf, du verlierst die Kontrolle!“ Doch die sanften Anweisungen des Therapeuten sind stark.
Einmal sprach der Therapeut direkt zu mir während der Hypnose. „Wächter, ich verstehe deine Sorgen. Du möchtest möglicherweise nur beschützen. Aber vielleicht gibt es einen Weg, dies zu tun, ohne ständig Angst zu haben.“
Diese Worte erschütterten mich. Es war, als ob der Therapeut mich wirklich sah und verstand.
Die Bedürfnisse des Wächters
Meine Handlungen und Ängste sind Ausdruck tiefer Bedürfnisse. Mein oberstes Bedürfnis ist Sicherheit. Ich möchte, dass der Klient sicher ist und nicht verletzt wird. Diese Schutzfunktion treibt mich an und lässt mich wachsam bleiben.
Aber vielleicht gibt es ja doch andere Wege, diese Sicherheit zu gewährleisten?
Mein Selbstbild
Ich bin hin- und hergerissen zwischen meinem Wunsch, den Klienten zu beschützen, und der Erkenntnis, dass ich ihm vielleicht mehr schade als nütze. Diese innere Spannung macht es schwer, meine Rolle loszulassen. Aber ich beginne zu verstehen, dass Veränderung möglich ist.
Vielleicht könnte ich lernen, ein anderer Wächter zu sein – einer, der auf eine ruhigere, sicherere Weise beschützt.
Überlegungen zur Sabotage der Therapie
Um die Therapie zu sabotieren, überlege ich mir oft Strategien: Den Klienten zu überreden, Termine abzusagen, ihn mit zusätzlichen Sorgen zu überhäufen, um die Therapiezeit zu dominieren, oder ihn emotional so zu überwältigen, dass er sich nicht auf die Therapie einlassen kann.
Meine Überzeugung ist: Je mehr ich die Kontrolle behalte, desto sicherer ist der Klient.
Hinter welchen Dingen ich mich verstecke
Ich kann mich in verschiedenen Formen manifestieren:
Gedanken: „Was, wenn heute etwas Schlimmes passiert?“ oder „Du hast nicht genug getan, um vorbereitet zu sein.“
Gefühle: Plötzliche Wellen von Angst oder Unruhe, die scheinbar grundlos auftreten.
Handlungen: Den Klienten dazu bringen, Dinge zu vermeiden, wie soziale Interaktionen oder Herausforderungen, die ihm Angst machen könnten.
Innere Bilder: Vorstellungen von möglichen Katastrophen oder negativen Szenarien, die ständig vor seinem inneren Auge ablaufen.
Diese und weitere Methoden nutze ich, um meine Präsenz zu verstärken und meine Kontrolle zu behaupten.
Der Therapeut nähert sich mir
Doch der Therapeut hat eine besondere Fähigkeit, sich mir zu nähern.
Er spricht direkt zu mir, erkennt meine Existenz wertschätzend an und zeigt Verständnis für meine Ängste. Er stellt Fragen wie: „Was brauchst du, um dich sicher zu fühlen?“ und „Wie können wir gemeinsam den Klienten schützen?“
Diese Fragen berühren etwas in mir. Sie öffnen die Möglichkeit, dass es eine Zusammenarbeit geben könnte.
Eine mögliche Wendung
Es gab einen Moment in der Therapie, der mich nachdenklich gestimmt hat.
Der Therapeut sprach von Vertrauen und Sicherheit. Er sagte, dass der Klient lernen kann, sich selbst zu schützen, ohne ständig angespannt zu sein. Diese Worte haben etwas in mir berührt. Könnte es sein, dass ich mich irren könnte? Dass ich dem Klienten nicht wirklich helfe?
Ich bin noch nicht bereit, meine Rolle aufzugeben. Aber ich beginne zu verstehen, dass es vielleicht einen anderen Weg gibt. Einen Weg, der weniger von Angst und mehr von Vertrauen geprägt ist.
Vielleicht könnte ich lernen, ein anderer Wächter zu sein – einer, der auf eine ruhigere, sicherere Weise beschützt?
Praktische Tipps zur Arbeit mit inneren Anteilen
Wenn du beginnst, deine eigenen inneren Anteile zu erkunden, können dir die folgenden Tipps helfen:
1. Selbstreflexion: Du könntest dir regelmäßig Zeit nehmen, um über deine Gedanken und Gefühle nachzudenken. Frage dich mal, welche inneren Stimmen und Anteile dabei eine Rolle spielen.
2. Tagebuch schreiben: Ein Tagebuch kann dir helfen, deine inneren Anteile zu identifizieren und ihre Botschaften zu verstehen. Indem du dir aufschreibst was sie sagen und wie du reagierst lernst du sie und dich selbst noch besser kennen.
3. Entspannungstechniken: Entspannungsübungen wie Meditation oder tiefe Atemübungen, können dich dabei unterstützen eine Verbindung zu deinen inneren Anteilen herzustellen und sie zu beruhigen.
4. Visualisierungen: Nutze geführte Visualisierungen, um in Kontakt mit deinen inneren Anteilen zu treten. Stelle dir vor, wie du in einen sicheren Raum gehst und dort mit ihnen sprichst.
5. Professionelle Unterstützung: Es ist vollkommen OK, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Therapeut kann dir helfen, deine inneren Anteile besser zu verstehen und zu integrieren.