Uns selbst verstehen
Jede Emotion dauert 90 Sekunden sagt Neurowissenschaftlerin Jill Bolte Taylor. Alles was danach kommt ist von uns selbst erzeugt. Auf die unterschiedlichste Art und Weise.
In einer Welt, die von ständiger Veränderung und Herausforderungen geprägt ist, ist das Verständnis unserer Emotionen entscheidend für unser Wohlbefinden und unsere persönliche Entwicklung.
Dieser Artikel beleuchtet, was Emotionen sind, wie wir Emotionen erleben und wie wir dieses Wissen nutzen können, um unsere emotionale Intelligenz und Selbstregulation zu verbessern.
Was sind eigentlich Emotionen?
Emotionen sind komplexe neurophysiologische Zustände, die durch bestimmte Ereignisse ausgelöst werden. Sie sind eng mit unseren Gedanken, Überzeugungen und körperlichen Empfindungen verknüpft.
Emotionale Intelligenz, die Fähigkeit, Emotionen bei sich selbst und anderen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, ist ein Schlüssel zu einem ausgeglichenen und erfüllten Leben.
Die Wissenschaft ist sich uneinig, wie viele Grundemotionen insgesamt existieren. Kulturübergreifend kann man jedoch nahezu identisch erlebte Emotionen wie z.B. Wut, Trauer, Angst, Freude, Ekel oder Überraschung feststellen.
Der Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen
Emotionen sind primär physiologische Reaktionen auf äussere und innere Stimuli während Gefühle die persönlichen, subjektiven Interpretationen dieser Emotionen sind.
Emotionen sind der Ausgangspunkt und Gefühle sind das, was daraus entsteht, wenn wir diese Emotionen durch den Filter unserer persönlichen Erfahrungen, Überzeugungen und Gedanken verarbeiten.
Die 90-Sekunden-Regel
Die Theorie besagt, dass eine Emotion biochemisch gesehen etwa 90 Sekunden in unserem Körper verweilt.
Das fand die Harvard-Absolventin und Neurowissenschaftlerin Dr. Jill Bolte Taylor heraus.
Dieses Wissen kann uns helfen, unsere Reaktionen auf emotionale Auslöser besser zu verstehen und zu steuern.
Indem wir lernen, diese kurze Zeitspanne für uns zu nutzen, können wir verhindern, dass wir impulsiv reagieren und stattdessen bewusstere Entscheidungen treffen.
Biochemische Vorgänge bei Emotionen
Biochemische Vorgänge bei Emotionen beziehen sich auf die chemischen Reaktionen in unserem Körper, die durch emotionale Erlebnisse ausgelöst werden.
Wenn wir eine Emotion erleben, setzt unser Körper Hormone und Neurotransmitter frei, wie Adrenalin bei Angst oder Serotonin bei Glücksgefühlen. Diese Substanzen beeinflussen unsere körperliche Reaktion, wie Herzschlag, Atmung und Muskelspannung. Ein wichtiger Bereich unseres Gehirns, welcher massgeblich an der Entstehung von Emotionen beteiligt ist, ist die Amygdala im limbischen System. Darüber hinaus arbeitet sie eng mit dem Hippocampus zusammen.
Emotionen auf körperlicher Ebene erleben
Emotionen manifestieren sich auf vielfältige Arten und Weisen körperlich. Zum Beispiel kann Angst zu schnellerem Herzschlag, Schwitzen und Zittern führen, während Freude oft mit erhöhter Energie, Entspannung und einem Gefühl der Leichtigkeit einhergeht. Körperliche Reaktionen auf Emotionen sind ganz natürliche Prozesse, die uns helfen, auf unsere Umwelt zu reagieren.
Kontrolle von automatischen Reaktionen auf Emotionen
Wie können wir lernen, mit unseren Emotionen umzugehen?
Das Erkennen und Kontrollieren automatischer Reaktionen auf Emotionen beginnt mit Achtsamkeit. Indem wir lernen, unsere Emotionen und die damit verbundenen körperlichen Empfindungen ganz bewusst wahrzunehmen, können wir beginnen, unsere Reaktionen zu steuern. Techniken wie tiefes Atmen, Meditation und Reflexion können uns helfen, impulsives Verhalten zu vermeiden und bewusstere Entscheidungen zu treffen.
Verbesserte emotionale Intelligenz durch bewusstes Wahrnehmen und Akzeptanz unserer Emotionen
Wie hängt das zusammen?
Die bewusste Wahrnehmung und Akzeptanz unserer Emotionen sind grundlegende Schritte zur Entwicklung und Förderung emotionaler Intelligenz.
Wir können unsere Emotionen erkennen und akzeptieren, indem wir in dem Moment innehalten ohne sie sofort zu bewerten oder zu unterdrücken. Auf diese Weise lernen wir, sie besser zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.
Du könntest dich z.B. fragen: „Was fühle ich gerade?“ oder Warum fühle ich jetzt genau das?“
Das gibt uns Zeit, unsere Emotion zu identifizieren, uns zu sammeln um später dann angemessen zu reagieren. Dann ist es uns möglich, die Situation und unser Erleben zu reflektieren und für die Zukunft zu lernen.
Das führt langfristig zu verbesserten zwischenmenschlichen Beziehungen und einer erhöhten Fähigkeit, Konflikte zu bewältigen und Empathie zu zeigen.
Umsetzung der 90-Sekunden-Regel im Alltag
Die Kenntnis dieser Regel kann uns im Alltag in vielerlei Hinsicht dienen. Hier sind 3 zusätzliche Übungen, die neben Achtsamkeit und Meditation von grosser Hilfe sein können:
- Geführte Visualisierungen: Stell dir eine Situation vor, in der du dich oft ängstlich oder wütend fühlst. In einer geführten Visualisierung könntest du dir vorstellen, wie du in dieser Situation ruhig und gelassen bleibst. Visualisiere, wie du tief durchatmest, dich entspannst und eine positive Reaktion zeigst.
Diese Übung hilft dir, alternative emotionale Reaktionen zu entwickeln und dich auf zukünftige ähnliche Situationen vorzubereiten. - Tagebuchführung oder Journaling: Nimm dir ruhig jeden Abend Zeit, um deine Emotionen des Tages zu reflektieren und aufzuschreiben. Notiere, was du gefühlt hast, in welchen Situationen diese Gefühle auftraten und wie du darauf reagiert hast. Mit der Zeit wirst du Muster erkennen, wie bestimmte Ereignisse bestimmte Emotionen auslösen. Dieses Bewusstsein hilft dir, deine emotionalen Trigger besser zu verstehen und darauf bewusster zu reagieren.
- Körperübungen: Du könntest Yoga oder Tai Chi in deine tägliche Routine integrieren. Diese Übungen helfen dir, die Verbindung zwischen Körper und Geist zu stärken. Achte während der Übungen darauf, wie sich dein Körper anfühlt und welche Emotionen dabei auftauchen. Diese Praxis ermöglicht dir, ein tieferes Bewusstsein für deine emotionalen Reaktionen zu entwickeln und zu lernen, wie du sie durch körperliche Bewegung beeinflussen kannst.
Emotionen und Konstruktivismus
Im Kontext des Konstruktivismus wird angenommen, dass unsere erlebte Realität von uns selbst erzeugt wird.
Eine Emotion dauert 90 Sekunden – alles was danach kommt, wird von uns erschafft. Bewusst oder unbewusst. Gewünscht oder unerwünscht.
Das bedeutet, dass wir eine aktive Rolle in der Gestaltung unserer emotionalen Erfahrungen spielen.
Dinge die wir denken, Dinge die wir sagen (auch still), Bilder, die wir anschauen, Musik die wir hören und Düfte, die wir riechen. Alles trägt dazu bei eine Emotion zu erzeugen oder sie aufrechtzuerhalten.
Durch das Verständnis dieser Dynamik können wir lernen, unsere Emotionen bewusster zu steuern und zu gestalten, was zu einer erhöhten Selbstwirksamkeit und einem erfüllteren Leben führt.
Hypnosetherapeutische Techniken zum Umgang mit Emotionen
Die Hypnosetherapie bietet effektive Techniken im Umgang mit Emotionen. Durch die Arbeit mit inneren Anteilen, wie z.B. dem inneren Kritiker oder dem Saboteur, können wir verstehen, wie bestimmte Emotionen entstehen und wie wir sie umprogrammieren können.
Visualisierungen und Suggestionen in der Hypnose können uns helfen, alternative emotionale Reaktionen auf bestimmte Erlebnisse zu entwickeln.
Die Verbindung von Körper, Geist und Seele kann den Umgang mit Emotionen auf den unterschiedlichsten Ebenen hilfreich beeinflussen. Selbsthypnose kann uns äusserst effektiv im täglichen Leben unterstützen.
3 Praktische Anwendungen und Tipps zur Selbstregulation von Emotionen
1. Atemtechnik zur Beruhigung
Wenn du eine starke Emotion spürst, nimm dir einen Moment Zeit, um tief durchzuatmen. Atme langsam tief in den Bauch ein, halte den Atem für einige Sekunden und atme dann langsam aus. Achte darauf, dass sich deine Bauchdecke hebt und senkt und dein Atem durch deinen Brustkorb in deinen Bauch fliesst.
Wiederhole dies mehrmals.
Diese Technik hilft, das Nervensystem zu beruhigen und einen klaren Kopf zu bewahren.
2. Visualisierungstechnik zur Emotionsregulation
Stelle dir vor, wie du eine Emotion als farbige Energie in deinem Körper visualisierst.
Beobachte, wie diese Energie sich bewegt und verändert. Stelle dir dann vor, wie diese Energie sanft aus deinem Körper fließt, was dir hilft, die Emotion loszulassen und dich entspannter zu fühlen. Das kann ein Ausatmen sein oder vielleicht fliesst diese Farbe über deine Füsse in den Boden. Da gibt es unzählige Möglichkeiten
Wenn du diese farbige Energie losgelassen hast, dann ersetze sie mit einer Energie oder Farbe, die dir in diesem Moment besser tun würde. Fülle deinen Körper nun damit auf und erlebe, was sich für dich verändert.
3. Methode der bewussten Reframings
Diese Technik aus dem NLP beinhaltet das bewusste Umdeuten oder Neurahmen einer Situation, um eine andere emotionale Reaktion hervorzurufen.
Wenn du dich in einer Situation befindest, die starke Emotionen auslöst, versuche, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Stelle dir Fragen wie: „Was kann ich Positives aus dieser Situation lernen?“ oder „Wie kann ich diese Erfahrung nutzen, um zu wachsen?“
Durch das Reframing kannst du eine neue, konstruktive emotionale Reaktion auf die Situation entwickeln, die dir hilft, deine Emotionen besser zu regulieren und zu kontrollieren. Du gibst dieser Situation einen neuen Rahmen oder eine neue Bedeutung und veränderst somit dein emotionales Erleben.
Fazit
Das Wissen über die „90 Sekunden der Emotionen“ und die Möglichkeiten zur Selbstregulation bieten uns also wertvolle Werkzeuge für ein bewussteres und ausgeglicheneres Leben.
Diese einfachen, aber wirkungsvollen Techniken können uns helfen, unser Erleben aktiv zu beeinflussen. Wir brauchen nicht in unseren Emotionen gefangen bleiben sondern können sie gezielt verändern und die Steuerung übernehmen.
Es öffnet uns Türen zu einem Raum unbegrenzter Möglichkeiten. Du darfst dich entscheiden.
hilfreiche Links:
Dr. Jill Bolte Taylor: https://www.drjilltaylor.com/psychology-today-the-90-second-rule-that-builds-self-control/
Max Planck Institut, Anatomie der Emotionen: https://www.mpg.de/1185203/anatomie-der-emotionen#:~:text=Als%20Ort%20der%20Gef%C3%BChlsverarbeitung%20gilt,eng%20mit%20dem%20Hippocampus%20zusammen.
Psychology Today, the 90 second rule: https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-right-mindset/202004/the-90-second-rule-builds-self-control
Bewusste Gefühle: https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/bewusste-gefuehle#:~:text=Emotionen%20entstehen%20im%20limbischen%20System%2C%20einem%20stammesgeschichtlich%20alten%20Teil%20des%20Gehirns.